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Hashimoto, nicht nur TSH messen:
Selen, Vitamin D & Eiweiß nicht vergessen!
Hashimoto Thyreoiditis ist weit verbreitet. Die alleinige Substitution von Levothyroxin scheint unzureichend. Neben einem Ansatz am Stressmanagement profitieren Patienten von Aminosäuren sowie insbesondere Selen, Vitamin D und Omega 3. Auch die Versorgung mit Vitamin B12 ist laut einer Studie bei vielen Hashimoto-Patienten defizitär.

Wie die Schilddrüse unseren Körper steuert
Die Schilddrüse und ihre vielfältigen Einflüsse auf unsere Gesundheit
Unsere Schilddrüse ist wie das Gaspedal des Autos und beeinflusst nahezu jedes Organ und Gewebe. Über braunes und weißes Fettgewebe steuern die freigesetzten Hormone Levothyroxin (T4) und Liothyronin (T3) beispielsweise die Thermogenese sowie Lipolyse, den Energieverbrauch bis hin zur Körperkerntemperatur und über Leptin den Appetit. Sowohl Hyper- als auch Hypothyreose führen daher zu den allgemein bekannten Symptomen. Eine Hypothyreose äußert sich durch Symptome wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, chronischer Verstopfung bis hin zu depressiver Verstimmung. Haarausfall tritt ebenfalls häufig auf. Bei einer Hyperthyreose klagen Patienten hingegen unter Schwitzen, Nervosität, Gewichtsabnahme, Durchfall oder Schlafstörungen bis hin zum Bluthochdruck.
Jodmangel, benigne wie auch maligne Knoten sowie Autoimmunerkrankungen können ursächlich hinter Funktionsstörungen stecken. Weit verbreitet ist die sogenannte Hashimoto Thyreoiditis. Bei dieser chronischen Autoimmunerkrankung entwickeln sich typischerweise Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-Antikörper) und gegen Thyreoglobulin (Tg-AK). Die Diagnostik erfolgt in der Regel durch Blutuntersuchung mit Bestimmung des TSH-Werts, den freien Hormonen fT3 und fT4, Antikörper-Bestimmung sowie Ultraschall der Schilddrüse. Seine Ursache ist multifaktoriell und hängt von genetischen Faktoren ebenso wie Umweltbedingungen ab. Die Therapie richtet sich nach der klinischen Manifestation, wobei es im Verlauf meist zu einer chronischen fortschreitenden Entzündung und Verkleinerung der Schilddrüse kommt, die häufig eine lebenslange Substitution mit Levothyroxin (T4) erforderlich macht.
Text- und Bildquelle: Clinical and laboratory aspects of 3,3′,5′-triiodothyronine (reverse T3)
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Praxistipp: Über vermehrte Bildung von rT3 kann Stress die empfindliche Balance der Schilddrüse stören. Selbst bei normalem TSH-Wert können unspezifische Symptome einer Hypothyreose auftreten, wie Müdigkeit, Schlappheit und gedrückte Stimmung. Gleichzeitig kann bei vermehrter Stressbelastung durch die Synthese von Noradrenalin und Adrenalin ein Substratmangel auftreten. Denn sowohl Katecholamine als auch Schilddrüsenhormone werden aus der semi-essenziellen Aminosäure L-Tyrosin gebildet.
Klagen Patienten über Stress und weisen trotz grenzwertiger oder guter TSH-Werte also eine entsprechende Symptomatik auf, kann eine breite Basisversorgung insbesondere mit den Aminosäuren Tyrosin und dem antioxidativ wirkenden Taurin, mit Selen, aktivierten B-Vitaminen, Vitamin C und Co eine gute Ergänzung darstellen (zum Beispiel aminoplus® dayfit). Eine gute Nährstoffversorgung unterstützt das Stressmanagement und wirkt sich positiv auf die Hormonbalance aus. Bei Einnahme von L-Thyroxin sollten Patienten allerdings einen Zeitabstand von 2 Stunden zu Supplementen einhalten, um die Resorption von L-Thyroxin nicht zu stören.
Im Folgenden beleuchten wir einige Nährstoffe genauer, die für Patienten mit Hashimoto Thyreoiditis eine wichtige Rolle spielen:
Selen: Selen erfüllt gleich mehrere Funktionen in Bezug auf die Schilddrüse sowie Pathogenese. Da die Aktivität der Dejodasen Selen-abhängig ist, sind alle Patienten bei L-Thyroxin-Substitution auf eine ausreichende Zufuhr von Selen angewiesen. Die Supplementierung von Selen führt bei Patienten häufig zu einer verbesserten Lebensqualität durch eine bessere Umwandlung von T4 zu T3. Es spielt außerdem eine wichtige Rolle als Antioxidans. Denn bei der Synthese der Schilddrüsenhormone entsteht Wasserstoffperoxid, das durch Glutathionperoxidasen entgiftet wird. Dieses Enzym benötigt ebenfalls Selen. Eine Meta-Analyse in 2024 (PubMed: Selenium Supplementation in Patients with Hashimoto Thyroiditis: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Clinical Trials ) konnte jüngst nachweisen, dass Selen bei Hashimoto die TPO-Antikörper-Titer reduziert und den TSH-Wert senkt.
Praxistipp: Die Einnahme von Jodid oder beispielsweise jodiertem Speisesalz ist bei Hashimoto umstritten. Hohe Dosen können eine akute Exazerbation der Hashimoto-Thyreoiditis auslösen und ein akutes Entzündungsentstehen befeuern. Dies gilt allerdings nicht für niedrige Dosierungen – insbesondere bei ausreichender Versorgung mit Selen. Selen wirkt protektiv.
Vitamin D: Auch im Sommer wichtig
Aufgrund seiner pleiotropen und antiinflammatorischen Wirkung ist eine ausreichende Versorgung von Vitamin D für Hashimoto-Patienten essenziell. Fast alle Immunzellen, wie T-Zellen, B-Zellen, Antigen-präsentierende Zellen und dendritische Zellen exprimieren Vitamin-D-Rezeptoren. 1,25(OH)2D ist in der Lage, eine überschießende Immunreaktion des adaptiven Immunsystems zu supprimieren und die Immuntoleranz zu unterstützen. Daher überrascht es nicht, dass eine Vitamin-D-Supplementierung sich positiv auf die Autoimmunität auswirken kann und zu einer Senkung der Krankheitsaktivität und TPO-Antikörper-Titer führt. Eine Studie zeigte, dass Hashimoto-Patienten häufiger an einem Vitamin-D-Mangel leiden. Hashimoto Thyreoiditis trat 2,28-fach häufiger bei einem 25(OH)D3-Spiegel <20 ng/mL auf (PubMed: Vitamin D Deficiency and Hashimoto’s Thyroiditis in Children and Adolescents: a Critical Vitamin D Level for This Association?).

T3, die bioaktive Wirkform der Schilddrüsenhormone, wird nur in geringem Maß von der Schilddrüse selbst synthetisiert und ausgeschüttet. Der Großteil (80%) der T3-Synthese wird durch zwei Selen-abhängige Enzyme in der Peripherie katalysiert: Deiodase Typ 1 (Dio 1) und Typ 2 (Dio 2). Diese Enzyme spalten ein Iodatom an der Position 5 des Levothyroxin ab. Levothroxin hat eine deutlich geringere Affinität zum Schilddrüsenhormonrezeptor als T3. Da Dio 1 sowohl den inneren (5)-Ring als auch den äußeren (5‘)-Ring deiodieren kann, ist Dio 1 in der Lage, zwei unterschiedliche Reaktionen zu katalysieren: T4 -> T3 und T4 -> rT3. Das sogenannte reverse T3 (rT3) ist biologisch inaktiv und wirkt sogar antagonistisch am Rezeptor. Es wird nicht nur vermehrt im Hungerzustand und kritisch kranken Zuständen gebildet, sondern auch bei Stress, Entzündungen, Diabetes und Schwermetallbelastung.
Quelle: imd-berlin.de

Eisen: Auch Eisen beeinflusst den Schilddrüsenstoffwechsel. Ein Mangel sollte unbedingt ausgeschlossen oder korrigiert werden. Die Schilddrüsenhormonsynthese ist Eisen-abhängig, da die Thyreoperoxidase (TPO) bei defizienter Eisenversorgung nur eine verminderte Aktivität aufweist. Zur Erinnerung: TPO ist ein membrangebundenes Hämprotein. Es katalysiert die Jodoxidation, die Jodierung von Tg und die Konjugation zu T3 beziehungsweise T4. Eine Studie an iranischen Mädchen mit Eisenmangel zeigte beispielsweise, dass ein niedriger Ferritinwert signifikant die Umwandlung von T4 -> T3 verschlechtert und es zu einer vermehrten Bildung des inaktiven rT3 führt. Die Forscher stellten eine signifikante negative Korrelation fest (PDF: The relationship between iron status and thyroid hormone concentration in iron-deficient adolescent Iranian girls).
B-Vitamine: Auch ein Mangel an Vitamin B2, B9 und B12 beeinflusst nach Krishnamurthy et. al (PubMed:Effect of Micronutrients on Thyroid Parameters) signifikant die Thyroid-Funktion. Experten empfehlen bei Vorliegen einer Hashimoto Thyreoiditis unbedingt, den Vitamin B12-Status zu überprüfen. Einerseits leiden viele Betroffene an einer begleitenden autoimmunen Gastritis, die zu einer Resorptionsstörung von Vitamin B12 führt. Andererseits leiden – je nach Studie – zwischen 6,3 bis zu 55 % der Hashimoto-Patienten an einem Vitamin B12-Mangel (PubMed: Prevalence of vitamin B-12 deficiency among patients with thyroid dysfunction). Auch eine Observationsstudie aus 2023 an 306 Patienten (PubMed: Correlation Between Vitamin B12 Deficiency and Autoimmune Thyroid Diseases) bestätigte, dass Hashimoto-Patienten signifikant niedrigere Vitamin-B12-Spiegel aufweisen und eine inverse Korrelation zu TPO-Antikörpern besteht. Vitamin B12 ist notwendig, um Folsäure in seine aktive Form zu überführen. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass auch bei einem Folsäure-Mangel der Teilnehmer erhöhte Anti-TPO-Level feststellbar waren.
Aminosäuren: Eine gute Versorgung mit Aminosäuren ist ebenfalls essenziell für eine gute Einstellung und Funktion der Schilddrüse. Die Synthese von Levothyroxin und Liothyronin basiert auf L-Tyrosin, welches aus der essenziellen Aminosäure Phenylalanin synthetisiert wird. Aber auch das Thyroxin-bindende Globulin beeinflusst die Wirkung der Schilddrüsenhormone unmittelbar, da im Blut über 99% der Schilddrüsenhormone gebunden vorliegen und damit inaktiv sind. Eine Veränderung der TBG-Konzentration beeinflusst daher das Vorliegen der freien Hormonwerte. Krishnamurthy et. al (PubMed:Effect of Micronutrients on Thyroid Parameters) bestätigte in einer Studie von 2021, dass ein Aminosäure-Mangel sich direkt und signifikant auf die Schilddrüsenfunktion auswirkt. Hierfür untersuchten 387 Individuen. Insbesondere niedrige Level der Aminosäuren Glutamin, Serin, Valin, Citrullin und Arginin beeinflussten die gemessenen Laborparameter wie TSH, T3 und T4. Niedriges Arginin korrelierte beispielsweise mit einem Abfall der T3-Serum-Konzentration (<0,0001).
Zusammenfassend ist für die Schilddrüse also nicht nur eine alleinige Substitution von Levothyroxin zielführend, sondern eine breite Versorgung mit Mikronährstoffen, B-Vitaminen und Aminosäuren einschließlich Vitamin D und Omega 3 mit einem hohen Gehalt EPA/DHA sinnvoll. Letzteres wirkt sich ebenfalls günstig auf den zu Grunde liegenden Autoimmunprozess aus.